Und ich bin nicht mehr in der Welt; sie aber sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, daß sie eins seien gleichwie wir. – Johannes 17,11
In diesen tief bewegenden Worten aus dem Abschiedsgebet Jesu offenbart sich ein zentrales Anliegen des Herrn: die Bewahrung der Einheit seiner Nachfolger. Jesus steht kurz vor seinem Weg zum Kreuz und bittet den Vater inständig, die Gläubigen zu bewahren, die er von der Welt gesandt hat. Diese Bitte ist nicht nur historisch bedeutsam, sondern auch heute von großer Relevanz für die Kirche und jeden einzelnen Christen.
Alttestamentliche Echos
Die Sehnsucht nach Einheit und Bewahrung findet sich bereits im Alten Testament. So spricht Psalm 133 von der Kostbarkeit der Einheit unter Gottes Volk: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!“ (Ps 133,1). Ebenso betont das Gebot der Treue zu Gottes Namen und Bund die Notwendigkeit, in der Gemeinschaft festzuhalten. Die Bitte Jesu, seine Jünger in Gottes Namen zu bewahren, ruft diese alttestamentliche Treue und Verbindung in Erinnerung.
Auch die Vorstellung, dass Gott sein Volk beschützt und erhält, zieht sich durch die Schrift. In Jesaja 54,10 verheißt Gott: „Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken; aber meine Gnade wird nicht von dir weichen.“ Diese Zusicherung spiegelt sich in Jesu Gebet wider, das Bewahren seiner Jünger in der Welt trotz der Herausforderungen, denen sie begegnen.
- Psalm 133: Einheit unter Brüdern als Segen
- Jesaja 54: Gottes unerschütterliche Gnade
- 2. Mose 3: Gottes Name als Quelle der Bewahrung
- Numeri 6: Segensbitte über das Volk
Neutestamentliche Erfüllung
Im Neuen Testament wird die Einheit der Gläubigen als Abbild der Einheit zwischen Vater und Sohn dargestellt. Jesus bittet darum, dass seine Nachfolger „eins seien gleichwie wir“, was die tiefe Gemeinschaft und Harmonie in der göttlichen Dreieinigkeit widerspiegelt. Diese Einheit ist nicht nur ein theologisches Konzept, sondern eine praktische Lebensrealität, die den Zeugen Jesu Kraft und Glaubwürdigkeit verleiht.
Das Gebet Jesu ist zugleich ein Auftrag an die Kirche, inmitten einer Welt voller Gegensätze und Konflikte zusammenzuhalten. Paulus greift dieses Thema in seinen Briefen auf, wenn er die Gemeinde ermahnt, „ein Leib und ein Geist“ zu sein (Eph 4,4). Die Bewahrung in Gottes Namen bedeutet, dass die Gläubigen durch die Kraft des Heiligen Geistes verbunden und geschützt werden.
„Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matthäus 18,20)
Diese Zusage Jesu unterstreicht die bleibende Gegenwart Christi in der Gemeinschaft der Gläubigen und die Bedeutung der Einheit, die er im Gebet erbat.
Die Einheit der Gläubigen ist mehr als ein Ideal – sie ist eine göttliche Berufung und ein lebendiges Zeugnis für die Welt. In einer Zeit, in der Spaltungen und Uneinigkeit oft dominieren, ruft uns Johannes 17,11 dazu auf, die Kraft des Gebets und die Gemeinschaft im Namen Jesu zu suchen.
Diese Einheit ist nicht Selbstzweck, sondern dient dazu, Gottes Liebe sichtbar zu machen und den Auftrag Jesu zu erfüllen: die Welt zu erreichen und zu retten. Indem wir uns gegenseitig stützen und im Glauben verbunden bleiben, erleben wir die bewahrende Hand Gottes in unserem Leben.
So ist das Gebet Jesu ein bleibender Trost und eine Herausforderung zugleich. Es lädt uns ein, über unsere eigene Beziehung zu Gott und zu unseren Glaubensgeschwistern nachzudenken und die Einheit zu pflegen, die Jesus für uns erbeten hat.